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Casa Civetta

Schweigen als Meditationspraxis

von Martin Züllig


Unser Geist, im Speziellen unser Verstand, will Futter zum Arbeiten. Ist er nicht ständig am Nachdenken, am Überlegen? Von morgens früh bis abends spät? Ist er nicht ununterbrochen daran, Pläne zu schmieden für die Zukunft oder die Gründe zu eruieren, was in der Vergangenheit schief ging, dass es heute so ist, wie es ist? Und wir ja selten zufrieden sind, so wie es ist, nicht wahr?

Wir sind also ständig daran uns zu kritisieren, zu bewerten, Noten zu verteilen oder wir suchen die Schuldigen. Wir wollen es wissen um besser zu handeln, um es besser zu machen oder die andern, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. So meinen wir, wir könnten es in den Griff bekommen, wir könnten es kontrollieren. Wir meinen dann glücklicher zu sein.

Natürlich wollen wir auch mehr wissen um unsere Aufgaben im Beruf und Alltag besser zu bewältigen. Wir müssen mehr wissen, das heisst lernen, um weiter zu kommen, um uns den sich verändernden Umständen besser anpassen zu können. So ist der Verstand ständig am Arbeiten. Es denkt pausenlos.

Was wir aber vernachlässigen, ist über uns selbst nachzudenken. Wir wissen meistens wenig wie wir funktionieren, was wir selbst dazu beitragen, dass es so ist, wie es ist. Unsere Gedanken beschäftigen sich mit den Umständen oder mit den Schuldigen. Oder wollen wir selbst wirklich die Verantwortung tragen für unsere Unzufriedenheit? Für unsere Leiden gehen wir zum Arzt, er soll uns helfen, er soll es richten. Für unsere seelischen Schmerzen gehen wir zum Therapeuten. Das kann auch wirklich richtig sein. Nach meiner Erfahrung aber liegt die beste Medizin in uns selbst.

Das Schweigen als Meditationspraxis lehrt uns viel über uns selbst. Das klingt vielleicht ungewöhnlich. Auf Grund eigener Erfahrungen fand ich im Schweigen die wirkungsvollste Medizin. Der Dhamma, die buddhistische Lehre, legt grossen Wert auf das edle Schweigen. Das Schweigen ist der beste Lehrer. Für gewöhnlich übergeben wir das Lernen einem Lehrer. Er soll uns das Richtige lehren. Also suchen wir den besten Lehrer. Im weiteren lernen wir durch lesen. Auch da suchen wir nach den besten Schriftstellern. Weshalb aber lernen wir so wenig von uns selbst? Durch das Gewahr werden des eigene Verhaltens, das Reflektieren, lernen wir am meisten. In der Selbstbetrachtung finden wir die Medizin. Im Frieden mit sich selbst wirken die Selbstheilungskräfte stärker als im Zwist und in der Unzufriedenheit.

Der Geist sollte ruhig sein, um richtig denken zu können. Wenn er vollgestopft ist, ist da kein Platz für Erkenntnis. Wenn der Geist plappert, kontrolliert, kritisiert, ist kein Freiraum da. Und ohne Freiraum kein Zugang zum innewohnenden Wissen, kein Zugang zur Medizin. Aber wie sollte das Geplapper zum Schweigen gebracht werden?

Schweigen heisst nicht das Reden unterdrücken. Das edle Schweigen ist Hingabe an das, was wir nicht wissen. Schweigen heisst, sich öffnen, sich dem noch nicht Sichtbaren zuwenden.

Meditation ist eine Übung, sich vorerst dem Geplapper bewusst zu werden. Und dann sehen wir, dass wir unter dem Geplapper leiden. Dass wir durch das eigene Geplapper gestresst werden. In der Meditation kennen wir verschiedene Formen. Die Geläufigste ist die Atembetrachtung. Wir lernen dem Atem zu folgen. Und wir lernen dabei nicht abzuschweifen in die Geschichten der Vergangenheit. Unsere Aufmerksamkeit gilt ganz der Gegenwart. Wir wollen uns dem gegenwärtigen Wahrnehmen hingeben, für das innewohnende Wissen öffnen. Nur ein stiller Geist hört und sieht die Wirklichkeit.